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Foscor: Les Irreals Visions (Review)

Artist:

Foscor

Foscor: Les Irreals Visions
Album:

Les Irreals Visions

Medium: LP
Stil:

Haunting Atmospheric Metal

Label: Season of Mist
Spieldauer: 47:47 (inkl. Bonus Track)
Erschienen: 09.06.2017
Website: [Link]

Die Geister, die sie riefen, sie scheiden sich am fünften Album der Katalanen FOSCOR. Die Aufnahmen haben "so viel Biss wie ein zahnloser alter Sack", unken die einen (Distorted Sound), andere frohlocken über "ein klasse Album für Träumer und Denker" (Time for Metal). Der Kurswechsel vom (letzthin avantgardistisch angeschrägten) finsteren Krach hin zum melancholischen Rock & Metal erzeugt also ein vielschichtiges Echo, in dem zahlreiche Namen die Runde machen: Katatonia und Alcest tauchen häufiger auf, Primordial liegen bei einem Gastspiel von Alan Nemtheanga auf der Hand, und auch ist die Rede von "den spanischen Enslaved" (Metal Temple). Überraschenderweise scheint bislang kaum jemandem die klangliche Nähe zu Klimt 1918 zu bemerken, obwohl dieser Vergleich meinem Empfinden nach deutlich näherliegt als z.B. der zur französischen Erfolgsband der letzten Jahre.

Mein Augenmerk liegt jedoch zunächst auf der künstlerischen Gestaltung von "Les Irreals Visions", denn jene hat es in sich: Die Polaroid-Photographien von Nona Limmen entstanden unter widrigen Bedingungen an von Nebelschleiern umhüllten Gestaden und Berghängen auf Island. Die Mühe hat sich gelohnt. Es sind fürwahr unwirkliche Visionen, die Limmen mit Lichtbildtechnik von anno dazumal grobkörnig aufs Papier bannte, und die genauer hingucken und die Phantasie spielen lassen. In diesen neblichten Bildern liegt ein Schlüssel zum wagemutigen Album der Katalanen, welche vermeintliche Hörer keineswegs leichtfertig zum Probehören einladen – sie tauchen stattdessen in jenen grauen Nebelschleier-ähnlichen Liedern unter und verbergen sich zunächst im trist anmutenden Grau. Kein Wunder also, dass mancher Rezensent ob an der Oberfläche fehlender Schärfe und Wucht bald die Krise bekommt und kaum mehr als langweiliges Geplänkel entdeckt.

Doch bereits der Opener "Instants" geizt nicht mit Reizen zwischen dichtem Post Rock und atmosphärischem Metal, die ähnlich in Erscheinung treten wie noch vor einigen Jahren bei Solstafir. Bereits hier wird die größte Stärke der Band deutlich: Mittels weniger Riffs evoziert sie eine packende Atmosphäre, die trotzdem alles andere als leicht(fertig) inszeniert wirkt. Dunkel, wütend und verzweifelt erklingt zu Beginn "Ciutat Tràgica", bei dem auch Alan seine Stimme erhebt, bevor sich der dicht arrangierte Metal lichtet, und das Lied mit andächtige Pianomelodien ein ruhiges Ende findet. "Altars" erinnert an die entmutigten Katatonia, wobei Falkes Gitarrenspiel hier nahezu versöhnlich klingt. Nicht nur die Bassspuren von "Encenalls De Mort" werden den Connaisseur entzücken, der Bergravens makabres Wesen vermisst: Die Komposition wartet mit etlichen Details auf, welche zur intensiven Stimmung beitragen, ohne nicht den rot…, also den grauen Faden weiterzuspinnen. In punkto Eingängigkeit sticht "Malfiança" danach mit geradlinigen Arrangements heraus, und weder der nachdenkliche Gesang, noch das Gitarrensolo sträuben sich gegen Radioeinsätze.
Die Bewunderung der Katalanen für Enslaved scheint sich in "Espectres Al Cau" zu spiegeln, einem vergleichsweise aggressiv treibenden Song, in welchem der Klargesang um grimmiges Fauchen ergänzt wird: Episch, melancholisch, persönlich… "De Marges I Matinades" knüpft an diese abwechslungsreiche Nummer nahtlos an. Der Titelsong weckt mit seinem träumerisch-atmosphärischen Klängen wiederum Erinnerungen an Solstafir. Es ist vor allem Fiars sehr offenherzigem Gesang zu verdanken, dass FOSCOR trotzdem über den Verdacht erhaben sind, sich bei anderen Bands das Beste herauszugreifen, und auch in Sachen Songaufbau können sich viele andere eher eine Scheibe bei den Katalanen abschneiden. Passend zu diesem großen, in sich ruhenden Werk liefert der junge Session-Schlagzeuger Jordi Farré eine tolle, weil gleichzeitig unaufdringliche wie nuancierte Performance ab.
Für eine ehemalige Black Metal Band ist es eine mutige bis ketzerische Produktion, mit der FOSCOR ihren Hörern ein mitunter pop-nahes Klangbild zumuten. Gefällige Anbiederung ist dennoch nicht das Ding der Katalanen, deren fünftes Album vor allem ein Gesamtkunstwerk ist, aus dem kein Song auffällig herausragt, sondern sich vieles auf unwirkliche Weise zu verdichten scheint. An der Herausforderung, sich diesen dräuenden Klangbildern auszusetzen, wird sich die Hörerschaft scheiden.

FAZIT: Da mir die vorigen Alben von FOSCOR unbekannt sind, ahne ich eher, dass es sich bei "Les Irreals Visions" um einen eigenwilligen Befreiungsschlag handelt, als dass ich es weiß. Der Schritt auf zu neuen Ufern mag einige alte Hörer vergraulen, dürfte sich für die Band jedoch lohnen, wenn sie sich weiter auf sich selbst besinnt und ihre eigenen Visionen in Zukunft mit ebenso viel, wenn nicht noch mehr Selbstvertrauen künstlerisch umsetzt. In dieser Hinsicht befinden sich FOSCOR trotz verschieden eingeschlagener Richtungen auf Augenhöhe mit ihren Freunden von Lux Divina: nur weil der Black Metal Klang immer weiter in den Hintergrund rückt, heißt das noch lange nicht, dass beide Bands einen trostlosen Weg vor sich liegen haben. Und ja, zugegeben: Einen Bonuspunkt gibt es für die zauberhafte Photokunst, welche "Les Irreals Visions" einen mehr als stimmungsvollen Rahmen verleiht.

Thor Joakimsson (Info) (Review 3943x gelesen, veröffentlicht am )

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14 Punkte
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Tracklist:
  • Instants
  • Ciutat Tràgica
  • Altars
  • Encenalls De Mort
  • Malfiança
  • Espectres Al Cau
  • De Marges I Matinades
  • Les Irreals Visions

Besetzung:

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